Urlaubsverfall: Diese BAG-Rechtsprechung sollten Sie kennen!

Durch eine EuGH-Entscheidung im Jahr 2018 wurde die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubs einem Wandel unterzogen.

Wie sich die Rechtsprechung des BAG seither entwickelt hat, haben wir noch einmal für Sie zusammengefasst.

Grundsätze

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt der Urlaubsanspruch zum Ende eines Kalenderjahres. Das setzt jedoch voraus, dass Sie Ihre Mitarbeiter in die Lage versetzt haben den Urlaub auch tatsächlich wahrzunehmen. Dabei ist ausreichend, dass Sie Ihre Mitarbeiter über den Urlaubsverfall zum Jahresende unterrichtet haben.

Inhaltlich muss Ihr Hinweis (in Textform) an die Beschäftigten jeweils hinreichend individuell (arbeitnehmerbezogen) und nicht nur abstrakt auf Ihr Unternehmen abgestellt, zwingend folgende Inhalte haben:

  • Information über die Zahl der dem jeweiligen Arbeitnehmer zustehenden Urlaubstage, 
  • Aufforderung, den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er noch im laufenden Urlaubsjahr genommen werden kann und
  • unmissverständlichen Hinweis darauf, dass der Urlaub ersatzlos verfallen wird, wenn er innerhalb des Bezugszeitraums nicht genommen wird.

Der Ausweis der Urlaubstage in der Gehaltsabrechnung ist hierfür nicht ausreichend. Eine (nochmalige) Unterrichtung zu Beginn des 3. Quartals ist sinnvoll. Ferner ist ein erneuter Hinweis mit einigem Abstand zum Jahresende geboten. Nicht erforderlich ist es, dass Sie Ihre Mitteilung ständig, d.h. fortlaufend aktualisieren.

Um die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit im Ernstfall beweisen zu können, sollten Sie Ihren Mitarbeiter diese Informationen und den Hinweis in Textform/Schriftform zukommen lassen. Hilfreich ist es auch, wenn Sie dies von Ihren Arbeitnehmern bestätigen lassen.

Bereits übertragener Urlaub/ Alturlaub

Wenn Urlaub aus dem Vorjahr übertragen wurde, bedarf es einer Information bereits zu Beginn des neuen Jahres. Diesen „Alturlaub“ müssen Sie gesondert im Hinweisschreiben ausweisen und Ihre Beschäftigten darüber belehren, dass dieser Urlaub bereits zum 31. März verfallen wird.

In einem aktuellen Urteil hat ein Landesarbeitsgericht (LAG) klargestellt, dass sich diese Information- und Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers auch auf den Urlaub aus früheren Kalenderjahren bezieht (LAG Köln, Urteil vom 9. April 2019, 4 Sa 242/18).

Fehlt es an diesen Hinweisen oder haben Sie die Information Ihrer Beschäftigten nur unvollständig bzw. unverständlich vorgenommen, erlischt der Urlaub nicht mit dem Ende des Bezugszeitraums. Er kann sich in diesen Fällen schlimmstenfalls endlos kumulieren.

Arbeitsverhältnis ist beendet

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es einen Anspruch auf Abgeltung von nicht genommenem Urlaub nicht in einem bestehenden, sondern nur in einem beendeten Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. IV BurlG) gibt. Gelten Sie nicht genommenen Urlaub in einem laufenden Arbeitsverhältnis ab, laufen Sie Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme.

Jüngst hat das BAG (31. Januar 2023, 9 AZR 456/20) eine Entscheidung veröffentlicht, in der es um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung ging und das Arbeitsverhältnis beendet war.

Das BAG entschied, dass ein Anspruch auf Abgeltung von nicht genommenem Urlaub der gesetzlichen Verjährung unterliegt. Die Verjährungsfrist beläuft sich in der Regel auf 3 Jahre und beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Diese Frist ist völlig unabhängig davon, ob Sie als Arbeitgeber Ihre Mitarbeiter über Verfallsfristen informiert haben.

In Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 beendet wurde, konnte die Verjährungsfrist jedoch nicht vor Ende des Jahres 2018 beginnen.

Für Altfälle gilt aber auch hier, dass die Frist für ein vor 2015 beendetes Arbeitsverhältnis erst ab Anfang 2019 lief (BAG, Urteil vom 31.1.2023, Az. 9 AZR 244/20). Diese Fälle sind inzwischen wohl weitgehend verjährt.

Allerdings kann dieser gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch auch nach Maßgabe einer eventuell bestehenden tariflichen oder arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen, was Sie immer bedenken sollten.

Arbeitsverhältnis besteht noch

Hinsichtlich eines fortdauernden Arbeitsverhältnisses hat das BAG entschieden, dass die nicht genommenen Urlaubstage nicht automatisch nach drei Jahren verfallen. Vielmehr muss der Arbeitgeber diese Verjährungsfrist „in Gang setzen“, was durch eine Belehrung über den konkreten Urlaubsanspruch und den drohenden Verfall des Urlaubs erfolgt.

Das bedeutet für Sie, dass die dreijährige Verjährungsfrist nicht zwingend und automatisch in dem Jahr beginnt, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Ungeklärt ist aber weiterhin die Frage, wie lange das Urteil des BAG zurückwirkt. In dem entschiedenen Fall bezog sich der Urlaubsanspruch auf die Jahre 2011-2017, also über einen sechsjährigen Zeitpunkt.

Als Arbeitgeber müssen Sie daher Ihre Mitarbeiter aktiv und regelmäßig über deren Urlaubsansprüche, den Verfall und die Verjährung informieren. Nur dann könnte der Urlaub zum Jahresende bzw. zum 31.03. des Folgejahres nach § 7 Abs. 3 des BUrlG auch verfallen.

Wenn Sie die Ihnen obliegende Mitwirkungspflicht versäumen, laufen Sie Gefahr, dass Urlaubsansprüche Ihrer Mitarbeiter nicht verjähren und noch nach vielen Jahren von den Mitarbeitern eingefordert werden können.

Beachten Sie aber bitte, dass ein Tarifvertrag abweichende Verjährungsfristen vorsehen kann.

Langzeiterkrankte Mitarbeiter

Nach der Rechtsprechung des BAG gilt die Ihnen obliegende Hinweispflicht auch gegenüber langzeiterkrankten Mitarbeitern. Wenn Ihr Mitarbeiter seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte, gelten allerdings folgende Besonderheiten.

1.        Arbeitnehmer hat keine Gelegenheit den Urlaub zu nehmen (Arbeitsunfähigkeit)

In diesem Fall verfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf einer 15-Monatsfrist, sofern der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres (z.B. 1.1.2020) durchgehend bis zum 31. März des Folgejahres (im Beispiel 31. März 2021) krank war und deshalb seinen Urlaub nicht antreten konnte. Dann soll es auch keines Hinweises durch Sie als Arbeitgeber bedürfen.

2.        Arbeitnehmer hätte Urlaub in Anspruch nehmen können

Beachten Sie aber bitte, dass der Fall anders liegt und es nicht zum Verfall des Urlaubs kommt, wenn der Arbeitnehmer im betreffenden Jahr zumindest teilweise (grundsätzlich nur wenige oder 1 Tag ausreichend) gearbeitet hat.

Dies ist z.B. der Fall, wenn Ihr Mitarbeiter im Januar eines Jahres noch gearbeitet hat und bevor Sie Ihrer Hinweispflicht nachgekommen sind, dauerhaft erkrankt ist. Haben Sie in einem solchen Fall Ihren Mitarbeiter nicht ausreichend informiert und auf den Urlaubsverfall hingewiesen, verfällt dessen Urlaubsanspruch grundsätzlich nicht.

Diese Grundsätze hat das BAG in einer aktuellen Entscheidung näher konkretisiert.

a. Vom Verfall des Urlaubs wird grundsätzlich der Teil ausgenommen, den der Mitarbeiter hätte nehmen können, d. h. soweit der Mitarbeiter im Urlaubsjahr arbeitsfähig gewesen ist.

Im entschiedenen Fall war der Mitarbeiter am 18.1.2016 erkrankt. In die Zeit vom 1.01. bis 18.01.2016 fielen 10 Arbeitstage. Das Gericht ging davon aus, dass der Mitarbeiter nur 10 Tage Urlaub hätte nehmen können und urteilte, aufgrund des fehlenden Hinweises des Arbeitgebers, dass letztlich auch nur 10 Tage Urlaub (gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen abzgl. 10 möglicher Urlaubstage) erhalten bleiben, d. h. nicht verfallen.

b. Arbeitgeber müssen Ihrer Hinweispflicht auch unverzüglich nachkommen. D. h. jedoch nicht schon am 1. Januar eines Jahres, sondern spätestens am 9. Januar des jeweiligen Jahres, so das BAG. Deshalb hat das BAG geurteilt, dass im vorliegenden Fall nur die Arbeitstage der zweiten Januarwoche (= 5 Tage), nicht aber die vollständigen 10 Tage abgegolten werden müssen.

Daher empfehlen wir Ihnen, die Urlaubshinweise an alle Mitarbeiter bereits in der ersten Arbeitswoche eines Jahres zu versenden, um auf der sicheren Seite zu sein. Wichtig ist es zudem auch dann (bestenfalls zu Beginn des 3. Quartals eines Jahres) noch einmal ein entsprechendes Hinweisschreiben an Ihre Mitarbeiter zu versenden.

Zusatzurlaub Schwerbehinderung

Ansprüche auf Mindesturlaub nach dem BUrlG und auf Zusatzurlaub nach dem SGB IX (Schwerbehinderung) verfallen ebenfalls gemäß § 7 Abs.3 BUrlG jeweils zum Jahresende. Auch diesbezüglich besteht die grundsätzliche Hinweispflicht des Arbeitgebers.

Ausnahme:  Wenn der Arbeitgeber die Schwerbehinderung nicht kannte und diese nicht offenkundig war.

Dies bestätigte das BAG in einem aktuellen Urteil vom 30.11.2021, 9 AZR 143/21. Wurde der Arbeitgeber nicht über die Schwerbehinderung informiert und war diese für den Arbeitgeber nicht aufgrund anderer, offenkundiger Umstände erkennbar, verfällt der Anspruch auf Zusatzurlaub trotz eines nicht erfolgten Hinweises durch den Arbeitgeber.

Hilfreich ist, wenn Sie im Rahmen des Hinweises an Ihre Beschäftigten eventuelle Zusatzurlaubstage wegen Schwerbehinderung etc. gesondert aufgeführt ausweisen.

EuGH bezieht sich auf gesetzlichen Mindesturlaub

Beachten Sie aber bitte, dass die Rechtsprechung des EuGH das ausschließlich den gesetzlichen Mindesturlaub von 4 Wochen (= hier 20 Urlaubstage unter Annahme einer 5-Tage-Woche) betreffen.

Hinsichtlich des Mehrurlaubs, d. h. den das gesetzlich vorgesehene Mindestmaß an Urlaubstagen übersteigenden Urlaub, sind die Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich frei, abweichende Regelungen zum Verfall dieser zusätzlichen Urlaubstage zu treffen.

Bestehen bezüglich des Mehrurlaubs keine abweichenden arbeitsvertraglich vereinbarten oder (anwendbaren) tarifvertragliche Regelungen, ist derzeit davon auszugehen, dass der Mehrurlaub das Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs teilt und wie der gesetzliche Mindesturlaub verfällt.

 

Rechtsrat einholen

 

Sollten Sie solchen Ansprüchen (ehemaliger) Mitarbeiter ausgesetzt sein, sollten Sie aufgrund der sehr komplexen Rechtslage und der vielen unterschiedlichen Fallkonstellationen unbedingt Ihre Rechtsberatung einschalten. Wir helfen Ihnen gerne weiter.